Lernen und ausbilden in Zeiten einer Pandemie

Corona, Wissenslücken und Fernunterricht

Als ich heute morgen über den traurigen Artikel auf Watson stiess, welcher aussagte, dass mehr als jeder zehnte Betrieb seine Lernenden nicht wie gewohnt ausbilden kann, gab dies den Input zu diesem Text. Lockdown und Homeoffice fordern überall ihren Tribut. Viele Berufsschulen haben auf Fernunterricht umgestellt und Stoff, der im Frühjahr verpasst wurde, wird nicht nachgeholt.

Präsenz und Absenz

Unsere Lernenden haben noch immer Präsenzunterricht an der Schule, die sie einmal wöchentlich besuchen. Die Probe-QVs (Qualifikations-Verfahren) haben sie bereits hinter sich, die Vorbereitungen für die Prüfungen laufen. Nach dem ersten Lockdown 2020 sah es ganz anders aus: Julia, Jenise und Melanie, welche sich in ihrem Abschlussjahr befanden, konnten wegen Corona nicht an die praktische Prüfung gehen.

Intern geprüft

Was folgte war eine Prüfung durch die Ausbildnerinnen der Schminkbar selbst. Sie bekamen die Anforderungen und Aufgaben vom SFK, dem Schweizer Fachverband für Kosmetik und mussten eine seriöse, genaue und fachliche Prüfung mit den Lernenden machen, unter allerstrengsten Kriterien. Das war für alle eine Herausforderung, die mit Bravour gemeistert wurde.

Sprung in die Gegenwart: Modell in Quarantäne!

Der aufgeregte Aufruf der Schminkbar kam vor wenigen Wochen am späten Sonntagnachmittag. Aufgeregt, weil das Probe-QV Modell für Hautbeurteilung und Gesichtspflege von unserer Lernenden Soraya aus der Filiale Winterthur ausgefallen, respektive ins Bett gefallen war: Quarantäne!

Klare Vorgaben und Bedingungen für Modelle

Nicht jede Frau kommt als Modell für die Probe QV in Frage. Es kommt weder auf den Charakter noch auf die Haarfarbe an, doch es gibt Vorgaben, die zählen und wenn diese nicht erfüllt sind, wird das Modell abgelehnt oder ausgeschlossen, was nicht ganz ohne ist. Dazustehen ohne Modell heisst keine Prüfung ablegen dürfen.

Entnehmen Sie die Bedingungen, die ein Modell erfüllen muss untenstehendem Bild. Menschen sind nur beschränkt verfügbar, selbst in diesen Zeiten.

Schlussendlich konnte ich selbst, die Autorin dieses Textes und langjährige Schminkbar Mitarbeiterin, einspringen. Kriterien erfüllt und ab nach Suhr, zum Hauptsitz des SFK, dem Schweizer Fachverband für Kosmetik, dem grössten Berufsverband, welcher sich für den Beruf der Kosmetik engagiert.

Wegleitung für das Qualifikationsverfahren

Anamnese -> Hautbeurteilung

Pünktlich geht’s an jenem Morgen los, alle Modelle werden in den vorbereiteten Prüfungsraum gebeten und dürfen auf der Liege Platz nehmen. Die Lernenden sind an unserer Seite. Eine zarte Spannung ist deutlich spürbar im Raum – jetzt geht’s um die Wurst, resp. um die Haut und ob alles Gelernte sitzt. Kaum Platz genommen bitten uns die Expertinnen, einen Platz im Uhrzeigersinn weiter zu rutschen. Sinn der Sache ist, dass die Lernenden jemanden vor sich haben, den sie noch nicht kennen. So müssen sie sich ganz neu auf Mensch, Haut und Umstände einlassen. Die nächsten 90 Minuten dürfen wir still auf der Liege liegen, nie zuvor wurde mein Gesicht so genau inspiziert! Die Haut wird wortwörtlich unter die Lupe genommen: mit feinen Glasplättchen werden Abdrucke genommen, Struktur, Reaktion, Beschaffenheit und Alter werden ganz genau anschaut. Fleissig werden Notizen gemacht, um parallel dazu einen Behandlungsplan für die am Nachmittag folgende Gesichtsbehandlung zu erstellen. Zur Anamnese gehört ebenso eine Befragung des Modells und seiner Lebensweise. Es geht um Ernährung und Lebensgewohnheiten – all dies gibt Aufschluss über den Zustand der Haut. Ich freue mich über Fragen, mit denen man sich nicht täglich befasst.

Hauttypen

Konzentriertes Wissen angewendet

Es wird 1 ½ Stunden intensiv, still und konzentriert an der Hautanamnese gearbeitet, dann werden die Modelle in den Mittag entlassen.

Hauptsitz SFK Suhr

Im grauen Januar in Suhr zu landen, einem gottverlassenen Nest während des Lockdowns, macht die Stunden trostlos, umso schöner, dass es pünktlich um 13 h mit der praktischen Gesichtspflege erneut weitergeht. In 2 ¼ Stunden muss die Gesichtsbehandlung inklusive Wimpern/Brauen färben und zupfen nun am Modell ausgeführt werden – der ganze Ablauf, die Handhabung mit Werkzeugen, Wirkstoffen und der ’Kundin’ wird von den Expertinnen genau beobachtet und beurteilt.

Dichte Konzentration und klares Schaffen liegen im Raum, mir scheint, dass jeder Griff von Alicia, meinem Prüfling (ist ein geschlechtsneutrales Wort), sitzt. Nach 2 ¼ Std. ist der praktische Teil vorbei und die Modelle werden entlassen. Ich hatte nie schönere Augenbrauen und bin ungeschminkt nach Hause gegangen, was scho chli öppis heisst.

Wenige wissen mehr über die menschliche Haut als ausgebildete KosmetikerInnen! Die Schminkbar hat viele davon, viele (junge) Frauen und einen jungen Mann, der noch in der Ausbildung ist. Die qualifizierte Ausbildung, die die jungen Menschen durchlaufen, ist enorm wichtig. Wir lassen nicht viele Menschen im Leben so nah – an unsere Haut – ran. In dieser Berufssparte existiert (noch?) kein Gleichgewicht der Geschlechter, der Frauenanteil ist bis anhin sehr viel höher. Die Zukunft wird zeigen, wie sich das entwickelt.

Behandlungen bei den Lernenden

Sind einfach ein Genuss! Erstens bezahlen Sie als Kundin weniger, zweitens sind es bestens ausgebildete, junge Menschen mit Freude am Beruf, drittens: probieren Sie es aus.